Das Bundesverfassungsgericht hat sich die Entscheidung zur
Streichung der Drei-Prozent-Hürde bei der Europawahl nicht leicht gemacht.
Äußerst knapp - mit einer fünf zu drei Entscheidung - haben die
Karlsruher Richter die bisher geltende Hürde für
verfassungswidrig erklärt. Besonders kleine Parteien könnten
bereits bei der anstehenden Wahl im Mai von der Entscheidung
profitieren.
Die kleinen Parteien waren es auch, die den
Stein ins Rollen gebracht haben. 19 von ihnen (darunter die
Ökologisch-Demokratische Partei, die Freien Wähler, die
Piratenpartei und die rechtsextreme NPD) hatten mit Hilfe eines
Organstreitverfahrens in Karlsruhe geklagt und nun Recht
bekommen. Berufen haben sie sich unter anderem auf eine
Entscheidung des Gerichts vom 9. November 2011. Bereits hier
wurde die bis dahin geltende Fünf-Prozent-Sperrklausel
höchstrichterlich gekippt und durch die Drei-Prozent-Hürde
ersetzt. Ebenso wie 2011 verstoße jedoch auch die neu
eingeführte Hürde von drei Prozent gegen die Grundsätze der
Wahlrechtsgleichheit gemäß Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz (GG)
und der Chancengleichheit der politischen Parteien, die sich aus
Artikel 21 Absatz 1 GG ergibt.
Verstoß gegen
Artikel 3 Absatz 1 GG
Artikel 3 Absatz 1 GG
besagt, dass wesentlich Gleiches nicht ungleich behandelt werden
darf. So muss auch jede Stimme eines jeden Wahlberechtigten den
gleichen Zählwert und die gleichen rechtlichen Erfolgschancen
haben. Bei einer Verhältniswahl, wie sie bei der Wahl zum
Europaparlament vorliegt, muss darüber hinaus gewährleistet
sein, dass jeder Wähler mit seiner Stimme den gleichen Einfluss
auf die Zusammensetzung der zu wählenden Vertretung haben muss.
Denn Ziel des Verhältniswahlsystems ist es, dass alle Parteien
in einem möglichst den Stimmenzahlen angenäherten Verhältnis in
dem zu wählenden Organ (hier das Europaparlament) vertreten
sind.
Verstoß gegen Artikel 21 Absatz 1 GG
Aus Artikel 21 Absatz 1 GG leitet sich der Grundsatz der
Chancengleichheit der Parteien ab. Jede Partei muss demnach im
gesamten Wahlverfahren grundsätzlich die gleichen Chancen bei
der Verteilung der Sitze erhalten. Eine künstliche Hürde
blockiert diesen Grundsatz unverhältnismäßig.
Sperrklauseln nur auf nationaler Ebene
Sperrklauseln sind demnach nur rechtens, wenn mit ihnen die
Funktionsfähigkeit des Parlaments (wie im Falle des Deutschen
Bundestages) aufrechterhalten werden soll. Chaotische
Verhältnisse, wie sie während der Weimarer Republik herrschten,
sollten zukünftige Parlamente nicht mehr lähmen. Die
Fünf-Prozent-Sperrklausel bei der Wahl des Deutschen Bundestages
ist damit durchaus mit der Verfassung vereinbar. Diese
Argumentation gilt jedoch nur für den Bundestag. Ein Schelm
also, der denken könnte, dass die Karlsruher Richter das
Europarlament als nicht bedeutend genug ansehen und stabile
Mehrheiten hier daher auch nicht unbedingt erforderlich sind.
Für die Wahl zum Europaparlament am 25. Mai 2014 gilt in
Deutschland ab sofort die Null-Prozent-Hürde.
Sperrklauseln der EU-Mitgliedsstaaten
Die Fünf-Prozent-Hürde gilt in
Frankreich, Kroatien, Lettland, Litauen, Polen,
Rumänien, Ungarn, Slowakische Republik und Tschechische
Republik.
Die Vier-Prozent-Hürde
gilt in Italien, Österreich und Schweden.
In
Griechenland gilt die Drei-Prozent-Hürde.
Zypern hat eine 1,8-Prozent-Hürde.
Die übrigen 13 der insgesamt 28 EU-Mitgliedsstaaten
kennen keine Sperrklausel. |